DDR Special

DDR-Faktencheck: Vorurteil oder Wahrheit – Was wissen unsere SchülerInnen über die DDR?

Was wissen unsere Schülerinnen und Schüler über die DDR? Und was sind vielleicht nur Vorurteile? Unsere Schülerzeitung ist durch einige Oberstufenkurse gegangen und hat die SchülerInnen nach ihren Annahmen über die DDR gefragt. Anschließend hat unsere Schülerzeitungsredaktion die Annahmen einem “Faktencheck” unterzogen. Unsere Redakteurin Giulia aus der 6a kennt jemanden, der in der DDR aufgewachsen ist und somit aus eigener Erfahrung berichten konnte, was der Wahrheit entspricht und was nur Vorurteile sind. Hier ist ihr Faktenchek:

Annahme unserer SchülerInnen: Die Menschen in der DDR hatten keine Freiheit und waren wie Gefangene.
Antwort der Zeitzeugin: Nein wir waren nicht in dem Sinne Gefangene wie in einem Gefängnis. Man konnte mit seinem Personalausweis auch die angrenzenden Länder bereisen, welche dem Warschauer Pakt angehörten, mithin kommunistische Länder waren, wie Polen, CSSR (heute Tchechien und
Slowakei), Ungarn, Rumänien, Jugoslawien (heute 7 eigene Staaten) und die CCCP früher Sowjetunion/Russland). Dort mußte man sich jedoch streng an Regeln der kommunistischen Regierungen halten. Eine Reise in kapitalistische Länder (Österreich, BRD) war „NormalBürgern“ nicht so einfach gestattet und bedurfte stets eines Visums und erhielten in der Regel nur Personen, welche linientreu zur Regierung der DDR waren, Mitglied der SED waren und/oder keinesfalls diese Reise als Flucht nutzten.


Man konnte niemandem vertrauen (auch nicht der Familie), weil man immer davon ausgehen musste, dass man bespitzelt wurde (Stasi).
In der Tat musste man extrem vorsichtig sein, wem man sein Vertrauen schenkte, sofern man politisch nicht erlaubte Dinge sagen oder machen wollte. Die Arbeit der Stasi bestand nicht nur im Bespitzeln des Westens, sondern vor allem im Bespitzeln der eigenen Bevölkerung. Hierzu wurden sehr gern Menschen eingesetzt, welche als sogenannte IM (inoffizielle Mitarbeiter) für die Stasi – nicht nach außen erkennbar – tätig waren. Einige Menschen machten freiwillig den Dienst als IM, andere aber wurden dazu gezwungen, ihre Freunde, Kollegen oder sogar eigene Familie zu bespitzeln. Je mehr die DDR zu zerbrechen drohte, um so mehr war die Stasi tätig, Andersdenkende zu verfolgen und damit auch der eigenen Bevölkerung Angst zu machen. Viele Menschen kamen aufgrund dieser Bespitzelung von heute auf Morgen ins Gefängnis, diesen wurde kurzfristig der Prozeß gemacht und sie sahen ihre Familien nicht mehr wieder, sie waren politische Gefangene vor allem in dafür der Bevölkerung bekannten Gefängnissen wie Berlin Hohenschönhausen oder Bautzen II etc., nur weil sie politisch anderer Meinung waren oder eine Flucht in die BRD planten. Dies ging sogar so weit, daß deren Kinder zur Zwangsadoption freigegeben wurden.
Erst nach der Wende wurden politisch Gefangene frei gelassen. Viele haben jedoch die Verhöre und Bedingungen im Gefängnis nicht überlebt. Mit Aufkommen der Wende wurden viele Akten der Stasi von den Mitarbeitern der Stasi selbst zerstört. Noch heute sind Mitarbeiter der Behörde Amt für Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen damit beschäftigt, diese zerstörten Aktien wieder zusammen zu puzzlen.

Es gab keine geilen Süßigkeiten und kein Energy.
Vornweg, Energy gibt es erst auch in der BRD, also Gesamtdeutschland, nach der Wende oder
sogar erst seit 2000 und ist ohnehin vor allem für Kinder schädlich. Auch in der DDR gab es Süßigkeiten, die Billigeren waren leichter zu kaufen, weil sie ohnehin schlechter schmeckten, die Besseren und Teureren gab es sehr selten zu kaufen, da die Produktion der DDR nicht nur darauf ausgerichtet war, Süßigkeiten fürs eigene Land herzustellen, sondern um die bessere Währung BRD-Mark zu erhalten, wurde davon ein großer Teil in die BRD exportiert. Es bestand aber auch die Möglichkeit die leckeren Süßigkeiten im Ausland wie Polen und CSSR etc. zu kaufen, man mußte ohnehin bei Einreise einen gewissen Betrag an der Grenze von DDR-Mark in die Landeswährung umtauschen. Es war nur nicht so üblich wie heute, täglich Süßigkeiten bekommen zu können, aber soweit ich weiß, war dies früher in der BRD auch in der Erziehung nicht vorgesehen und Süßigkeiten waren auch da noch etwas Besonderes.

Es wurde Russisch unterrichtet.
Das stimmt nicht. Alle Fächer wurden in der Schule auf Deutsch unterrichtet, bis auf das Sprachen-Pflicht-Fach Russisch, welches ausschließlich in Russisch unterrichtet wurde. Es war ein Pflicht-Fach, da die DDR nach dem 2. Weltkrieg bei der Aufteilung Deutschlands unter sowjetisch russischen Einfluß fiel.

Die Leute in der DDR konnten nicht mit Leuten außerhalb der DDR kommunizieren.
Das ist falsch. Man konnte Briefe schreiben an Menschen außerhalb der DDR, man mußte jedoch davon ausgehen, daß diese Briefe von der Stasi gelesen wurden, vor allem, wenn man Briefe und Pakete in die BRD schickte, wurden diese in der Regel geöffnet und geprüft, oft sogar Inhalte gestohlen. Telefonieren konnte man auch ins Ausland, egal ob Ost oder West. Allerdings hatten in der DDR nur Menschen ein privates Telefon, welche linientreu gegenüber der Regierung waren, mithin Mitglied der SED waren und/oder einen wichtigen Job innehatten wie Arzt, Anwalt oder Politiker etc. Normale Familien aus der Arbeiterklasse hatten daher keinesfalls ein privates Telefon. Meine Familie hatte erst ein Telefon nach der Wende. Berufliche Telefone gab es auch, dafür mußte man jedoch in einer gehobenen Position arbeiten und dafür mußte man linientreu sein. Von der Stasi wurden Telefonate abgehört, was man mit einem Knacken in der Leitung hören konnte. Menschen vertrauten daher eher auf andere Kommunikationsebenen wie Briefe überreichen über vertrauenswürdige Menschen, um einer Bespitzelung zu entgehen oder man traf sich heimlich im Wald etc. aus gleichen Gründen.

Es gab kein Briefgeheimnis.
Offiziell wird es sicherlich ein Briefgeheimnis gegeben haben. Aber tatsächlich hat es ein solches nicht gegeben und wenn dann nur, um es gegen die eigene Bevölkerung zu verwenden. Es wurde auch sicherlich nicht jeder Brief geöffnet, weil dazu gab es noch immer zu wenig Kapazitäten innerhalb der Stasi. Aber Pakete, welche wir z.B. verschickten in die BRD und Pakete, welche von der BRD zu uns kamen, waren immer geöffnet und wieder verschlossen worden.

Die Charite war in der DDR.
Wikipedia: Durch die Teilung Berlins nach dem 2. Weltkrieg lag die Charite in Ost-Berlin. Ganz im Westen des damaligen Bezirkes Mitte gelegen, grenzte sie ab 1961 (Mauerbau) direkt an die Berliner-Mauer – an Spree und Humboldthafen/Berlin-Spandauer Schifffahrtskanal in Form einer Wassergrenze.

Die Schule war sehr streng und ganz anders als heute.
Die Zeiten, als meine Großeltern und Eltern und ich groß geworden sind, waren allgemein strenger als heute. Soweit ich weiß, war aber auch die Schule im Westen sehr streng und anders als heute. Ich ging sehr gern zur Schule, da man bis auf die politische Ebene sehr viel Wissen und vor allem auch Allgemeinwissen vermittelt bekommen hat und man für seine Leistungen stets gelobt und belohnt wurde.
Ab meiner Zeit war es den Lehrern auch nicht mehr erlaubt, die Schüler zu züchtigen (schlagen), wodurch wir auch frecher sein konnten, als die vorherige Generation. Was sehr anstrengend und nervig war, war die politische, kommunistische „Ausbildung“. Es wurde schon im Kindergarten darauf geachtet, daß alle linientreu erzogen werden sollen. Ich habe jedoch den Kommunismus nicht als gerechte Gemeinschaftsform empfunden und bin daher oft mit meinen unbequemen Fragen und meinem Gerechtigkeitssinn negativ aufgefallen. Ich konnte dies jedoch mit meinen sehr guten schulischen und sportlichen Leistungen kompensieren und habe keine ernsthaften Probleme bekommen.


In der DDR gab es kein McDonalds.
Nein zum Glück gab es bei uns kein Fast-Food – wir wurden daher eigentlich ziemlich gesund ernährt. In meiner Familie gab es immer gesunde und ausgewogene Ernährung, sehr lecker und sehr viel.


Es gab nur ein Auto zu kaufen (Trabant).
Nein, man konnte in der DDR, wenn man das nötige Geld hatte, alle Autos kaufen, welche in kommunistischen Ländern hergestellt wurden (Trabant und Wartburg in der DDR, Skoda in der CSSR, Lada oder Moskwitsch aus Russland, Polski Fiat aus Polen etc.). Man konnte allerdings neue Autos nicht so einfach im Autohaus kaufen, sondern man mußte eine Bestellung abgeben und die Lieferung dauerte beim einfachen Volk in der Regel viele Jahre, weshalb Menschen diese Bestellung bereits mit der Geburt des Kindes abgaben. Die Verfügbarkeit von Autos in der DDR war begrenzt. Die zur Verfügung stehenden Stückzahlen konnten die Nachfrage nicht decken. Daher waren gebrauchte Autos auch nicht viel preiswerter als neue Autos. Meine Familie hat daher gebrauchte Autos aus dem kommunistischen Ausland gekauft (Skoda, Moskwitsch, Lada).

94% der Frauen haben gearbeitet.
Ich kann mich erinnern, daß tatsächlich fast alle Frauen, auch Mütter gearbeitet haben und die Kinder in der Regel direkt nach der Geburt in die Kinderkrippe, die Wochenkrippe und Kindergarten kamen. Ich kenne persönlich nur eine einzige Schulfreundin, bei der die Mutter als Hausfrau zu Hause blieb. Es war vom kommunistischen System aus zweierlei Gründen gewollt, daß Frauen auch Vollzeit arbeiten. Erstens wurden sie dringend als billigere Arbeitskräfte gebraucht und zweitens sollten deren Kinder besser durch linientreue Mitarbeiter in Kinderkrippe, Wochenkrippe, Kindergarten, Schule und Hort erzogen werden und schon von klein auf an die kommunistischen Ideale und Regeln herangeführt werden.
Insoweit wurde diese „Idee“ vom Dritten Reich hier übernommen. Individualität sollte es nicht geben, sondern einheitlich konform erzogene Kinder, welche den vorgegebenen Idealen (hier Kommunismus) nacheiferten und keine unbequemen Fragen stellten. Uns wurde auch immer beigebracht, daß die BRD und der Westen und vor allem die USA ganz „böse“ wären und dort viele Menschen obdachlos sind und hungerten und es doch in der Sowjetunion und allen anderen kommunistischen Ländern viel besser sei.
OK in der DDR gab es wirklich keine Obdachlosen und wir mußten auch nicht hungern, da Lebensmittel stets sehr billig waren, aber dafür konnten wir uns nicht individuell entwickeln und mußten eine politische Meinung haben

Wir danken der Zeitzeugin vielmals für dieses ausführliche und sehr spannende Interview!