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Roland Schreyer berichtet: Das perfide System der DDR

Stille, bloß die Stimme von Roland Schreyer, einem Zeitzeugen aus der ehemaligen DDR, welcher am 17.03 dem Geschichtskurs der Q2 von seiner riskanten Flucht kurz vorm Mauerfall, seiner Vorbereitung, aber auch über die Inhalte seiner Stasi-Ordner berichtete.

Nach einer kurzen Fotosession von Schreyer und kurzzeitig technischen Schwierigkeiten begann Herr Winzen die Vorstellung, indem er in einer kurzen Rede beteuerte, wie wichtig die Demokratie in einer Gesellschaft ist und wie glücklich sich unsere Generation schätzen kann, nicht in einer Diktatur aufwachsen zu müssen, wie Roland Schreyer es musste, Herr Winzen betonte auch: ,,Demokratie ist jeden Tag bedroht. Demokratie in Freiheit ist nicht wie selbstverständlich gegeben, sondern muss jeden Tag neu erkämpft werden.‘‘

Kurz darauf begann auch schon der Zeitzeuge, von der ständig anwachsenden Grenzanlage um die DDR zu berichten und den Schülerinnen und Schülern zu erläutern, mit welch einer Raffinesse die Grenzanlage erbaut wurde und wie teuer der perfide ausgebaute Signalzaun, welcher bei Berührung einen stillen Alarm abgab, war. Schreyer selbst, erläuterte er, wuchs mit einer kommunistischen Erziehung auf, in der die Kinder schon früh manipuliert wurden. Die Jugend war ideologisch nachhaltig geprägt, sodass sogar Jahrzehnte nach dem Mauerfall in einem alten Klassentreffen noch Streit darüber angefangen wurde, ob die DDR gut oder schlecht war.

Roland Schreyer hat sich nach der Schule zum Elektriker ausbilden lassen, doch auch er musste für 1,5 Jahre den Wehrdienst der DDR antreten. Er sollte ebenfalls als ausgebildeter Elektriker die Instandhaltung der Grenzübergangsstelle gewährleisten. Als er schließlich 1981 ein Studium im Fach Pädagogik begann, erkannte er die Strategie der DDR, auch die neuen Generationen zu manipulieren. Der ehemalige DDR-Bürger erkannte auch, dass er selbst zu all dem nicht stand. So wurde der Wunsch nach Freiheit und der, in die damals so traumhafte Bundesrepublik Deutschland zu flüchten, immer größer und als dann auch noch die Reiseerleichterung in die Schreyer in die Karten spielte, schloss er den Entschluss, allein in die BRD zu reisen, da die Familien damals als ,,Pfand‘‘ in der DDR bleiben mussten. Als er nicht wiederkam und seiner Frau einen ,,unerwarteten‘‘, jedoch eigentlich abgesprochenen Brief schrieb, in dem er sagte, er würde nicht mehr zurückkehren und sie ihn bei der Volkspolizei meldete, wurde sie zur Scheidung gedrängt und sein Vater aus dem DDR-Dienst entlassen, als Druckmittel für Roland Schreyer, wieder zurück zu kehren. Als Frau Schreyer dies ablehnte und dann jedoch der Antrag auf Familienzusammenführung abgelehnt wurde, welcher eigentlich als legaler Fluchtplan der beiden vorgesehen war, schmiedete Roland Schreyer einen riskanten Plan, seine damals neunjährige Tochter, seine 32-Jährige Frau und seinen 58-Jährigen Vater in die BRD zu holen.

Während er in der Bundesrepublik bei einem Cousin wohnte, waren Tochter, Frau und Vater noch im Heimatort, dem Sperrzonengebiet Harbke in Sachsen-Anhalt, in dem Schreyer auch seine gesamte Jugend verbrachte. Diesen Ort kannte er besser als alles andere, genauso den Grenzbach Wirbke, von dem er wusste, dass er von der DDR zur BRD fließt. Der 800 Meter lange Kanalisationstunnel bot Schreyer einen perfekten Fluchtweg, indem er Sperrgitter zersägte. Bei einer Probeflucht spielte er die genaue Situation nach, als er bemerkte, dass das Wetter bei der richtigen Flucht schlecht sein müsse, damit er nicht bemerkt werden würde, denn er beteuerte: ,,Das wären zehn Jahre Gefängnis gewesen, wenn ich aufgeflogen wäre.‘‘ Somit wählte er einen Tag aus, an dem es stürmen sollte. Als er mit Startschwierigkeiten versuchte, seine Frau zu kontaktieren, gab er ihr durch Umschreibungen zu verstehen, wann sie mit den anderen da sein müsse. Sie tauchte rund eine Stunde zu spät am vereinbartem Treffpunkt auf und Roland Schreyer dachte sich damals: ,,Das Ding könnte klappen!‘‘ Und damit hatte er Recht! Denn er und seine Frau schafften es ohne Probleme, durch den Kanal, seine Tochter schlug sich laut ihm tapfer und bloß sein Vater hatte ein paar körperliche Probleme bei der Flucht. Als er mit seiner Familie am 1. Juli 1988 der DDR den Rücken kehrte, wurden sie sentimental, weil sie dachten, sie würden sich für immer von ihrem Zuhause verabschieden müssen. Dabei wussten sie noch nicht, dass rund 1,5 Jahre später die Berliner Mauer fallen, Deutschland wieder vereint sein und die DDR Geschichte sein würde.

Was mit technischen Startschwierigkeiten begann, endete mit ca. 20minütiger Verlängerung und einem faszinierten Publikum voller Fragen an Herrn Schreyer, aber auch an seine Frau. Von Spitzeln im näheren Umfeld der Familie, bis hin zur Enttäuschung über diese, welchen eigentlich viel Vertrauen geschenkt wurde, reichten die Fragen der Oberstufenschüler und Oberstufenschülerinnen.