Zeitzeugenbericht: Mein Leben in der DDR (Michael Schenker )
Liebe Leserinnen und Leser, in unserer kleinen Reihe über die DDR haben wir mit dem Vater von unserer Redakteurin Laureen, Michael Schenker, gesprochen, er hat seine Kindheit in der DDR verbracht und uns etwas darüber erzählt.
Mein Leben in der DDR
Ich lebte in der Kleinstadt Wittichenau im Bezirk Cottbus, welche heute im Bundesland Sachsen liegt.
Wittichenau hat einen hohen katholischen Bevölkerungsanteil, dies wurde von staatlicher Seite sehr kritisch gesehen.
Ich ging in einen der wenigen christlichen Kindergärten und hatte erst in der Schule Kontakt mit dem sozialistischen Weltbild.
Wie fast alle Schüler, wurde ich Mitglied bei der staatlich gelenkten Organisation der Pioniere und der FDJ (Freien Deutschen Jugend ). So begann der Schulunterricht mit dem Pioniergruß ,, Für Frieden und Sozialismus seid bereit” und wir Schüler antworteten: ,,Immer bereit”. Oft fand in der Schule ein Fahnenappell statt, ein militärisches Ritual mit Strammstehen, Fahne hissen und sozialistischen Gruß.
Im Juni 1989 trat ich aus der FDJ aus . Der Grund war die gewaltsame Niederschlagung der Protestbewegung in Peking und weil die Regierung der DDR diese befürwortete.
In der 9. Klasse mussten alle männlichen Schüler zur vormilitärischen Ausbildung in ein Wehrlager fahren und wurden dort von NVA- Offizieren ausgebildet .Bestandteile dieser Ausbildung waren z.B. Training im Handgranatenwurf, Übungen mit Gasmasken und Schutzanzügen, Ausdauerlauf aber auch das Schießen mit dem Luftgewehren und Kleinkaliber-Maschinenpistolen. Auch das ,,Exerzieren” (Ordnungsübungen) sowie militärtheoretischer und politischer Unterricht gehörten dazu.
Ich und viele andere Jungs aus meiner Klasse verweigerten die vormilitärische Ausbildung in dem Wehrlager, aufgrund unseres christlichen Glaubens. Bei unserer Verweigerung mussten wir einzeln in ein Zimmer treten, in dem der Schuldirektor, ein NVA-Offizier, und mein Klassenlehrer saßen. Nach meiner Anhörung wurde ich ziemlich diffamiert und beschimpft, das wir keine Jungs wären und Schlappschwänze sind. Aber wir blieben standhaft und mussten nicht in das Lager fahren.
Ich ging in den Religionsunterricht, in welchen wir einen Freiraum hatten und viel über politische Themen diskutierten. Dort organisierten wir im Sommer 1998 ein Friedensgebet, welches dann jeden Montag in der Kirche stattfand. Im Oktober fand nach dem Friedensgebet jeden Montag eine Demonstration statt. Forderungen bei diesen Demos waren z.B. Meinungs- und Reisefreiheit, freie Wahlen.
Im Oktober 1989 fuhr ich mit befreundeten Jugendlichen in die Nikolai Kirche nach Leipzig, wo im Anschluss die erste großen Demo stattfand, die friedlich verlief. Ein Erlebnis und geschichtliches Ereignis, welches ich nie vergessen werde. Dort hatte ich auch richtige Angst um mein Leben! Überall waren Polizisten und Soldaten mit Maschinengewehren. In den Seitenstraßen standen Panzer und Wasserwerfer. Zum Glück gab es keinen Schießbefehl und gewaltsame Niederschlagung der Demonstration.
Einen Monat später fiel die Mauer und im Jahr darauf ereignete sich die Vereinigung der BRD und DDR zu einen Deutschen Staat.
Artikel von Laureen Schenker (6a) und Giulia Kasig (6a)